Thyssen-Steel-Night Tour – Duisburg 20. Januar 2015
„Sie erleben jetzt etwas wirklich Besonderes, eine Nachtführung durch das Werk gibt es nicht so häufig“ begrüßte uns die Marketing- und Vertriebsexpertin Josefine Sarfert im Thyssen-Steel Besucherzentrum in Duisburg-Bruckhausen. Ihr hatten wir dieses exklusive Vergnügen zu verdanken und natürlich Barbara Baratie, die dieses „Sehnsuchtsziel“ schon lange für die Unternehmerinnen im Blick hatte.
Alle 25 Teilnehmerinnen hatten sich an die Kleiderordnung gehalten: Festes flaches Schuhwerk, warme Jacken, kein Frauenfirlefanz. Das wäre auch nicht gegangen, führten uns dann auch gleich unsere Tourbegleiter, ein Duisburger Thyssenmann reinsten Wassers und seine junge charmante Mitstreiterin in die Materie ein: „Gehen Sie durch diese Tür und nehmen Sie aus dem rechten Regal je einen Helm.“ Erstes Jammern über zerdrückte Frisuren, aber wir wollten es ja nicht anders. Dann gab es noch Kopfhörer und einen Sender. Wir sollten unterwegs lernen, wie nützlich diese Tonverstärkung ist.
Ich persönlich glaube ja, dass der Tourbegleiter uns insgeheim eher als ahnungslose und zimperliche Exotinnen betrachtete, die in Gott-was-für-einer-Tombola dieses grandiose Ereignis gewonnen hatten und mit denen er sich irgendwie arrangieren musste. Er hatte sich getäuscht.
Was dann per Bus und zu Fuß erfahren, erlaufen und erklommen wurde, war gigantisch und ist für die interessierte Laiin kaum in Worte zu fassen: „Ein Gelände im Duisburger Norden- fast fünfmal so groß wie Monaco, auf dem so viele Menschen arbeiten, wie in einer deutschen Kleinstadt leben (O-ton Guide). „Das gesamte Straßennetz entspricht der Entfernung zwischen Essen und Köln, und mit den Gleisen des Güterverkehrs könnte man die Städte Essen und Hamburg verbinden. Vier Hochöfen erzeugen hier jeden Tag mehr als 30.000 Tonnen Roheisen, im Jahr werden rund zwölf Millionen Tonnen Stahl produziert.“ Und wir mittendrin – bei Nacht sozusagen. Rose Benninghoff und Petra Gellinger, unsere Fotoprofis wurden bei diesen einzigartigen Motiven ganz zappelig. Aber Fotografieren? Nur ganz ausgewählt und nur mit Erlaubnis für uns als Erinnerung.
Dieses gigantische Stahlwerk hat bei Nacht, in vielen Farben leuchtend, zischend und dampfend eine einmalige Schönheit. Wir haben rotglühende Brammen (immer gleich große Stahlplatten) auf Lagerflächen in Stapeln draußen auskühlen sehen und die wahnsinnige Hitze ließ selbst im Dunkeln die Luft flirren. „Alles, was Sie hier sehen, ist bereits verkauft, gehört schon jemandem, weil wir ja nur nach Auftrag produzieren, genau spezifiziert , nicht umsonst haben wir eine Produktpalette von weit über 2000 Sorten Stahl,“ erläuterte unser Begleiter.
Wir waren in Schwelgern nicht nur am Hafen, von dem aus die Schubeinheiten immer hin und zurück fahren nach Rotterdam, sondern waren an einem Hochofen, der am Tag an die 10.000 Tonnen Roheisen produziert, dazu braucht es tausende Tonnen Eisenerz und ebensoviel Koks. Die anfallende Schlacke und Wasserdampf werden nicht nur zur eigenen Energieversorgung genutzt, sondern auch weiter verkauft. Auf einer Brücke stehend haben wir bei ohrenbetäubendem Lärm Topedowagen mit flüssigem Roheisen gesehen und die Schaltzentralen besucht, in denen nur 2 oder 3 Männer vor den Bildschirmen saßen und diesen unvorstellbaren Produktionsprozess per Knopf oder Mausklick überwachten. ‚Unser Mann‘ konnte uns sehr vieles gut erklären und ich denke, wir alle waren gute Zuhörerinnen. Eine Fachfrau hatten wir ja unter uns: Für Inge Roterberg ist Stahl tägliches Geschäft. Ihr Unternehmen stellt Spezialmaschinen und –Werkzeuge her und sie ist sogar Thyssenkundin. Wir anderen hatten eher ständig Mund und Nase auf vor Staunen und Begeisterung – und waren schwer beeindruckt.
In der Dunkelheit ahnt man ja nur, dass man innerhalb des Werksgeländes von Bruckhausen nach Beckerwerth und zurück fährt, aber auf der gesamten Strecke sind wir immer wieder an wunderschön und geheimnisvoll illuminierten Hallen und Gebäuden vorbeigekommen. „Umweltschutz für’s Auge“ nennt der Konzern diese Beleuchtung.
Auf die Aufgabe des beleuchteten Gebäudes abgestimmte Farben sollen Wärme, Wasser oder Dampf suggerieren und die Gebäude „sollen mit der Natur verschmelzen“, so der Designer Friedrich Ernst von Garnier als der Créateur dieser Kunstform.
Das finale furioso erlebten wir dann in der Warmbandwalzanlage: Die Halle des Warmbreitbandwerks ist mit einer Länge von über 570 Metern eine der größten Produktionsstätten bei ThyssenKrupp. Ca. 500 Menschen sind hier beschäftigt und es werden jährlich ca. 400.000 Tonnen Stahlbleche gewalzt und gerollt. Wir konnten bei unserem Gang über die halbe Strecke durch die Halle gar nicht genug von dem letzten Vorgang bekommen: die 1000 Grad heißen glühenden Brammen kommen laut krachend und zischend auf dem Band angerauscht, genau getaktet, werden in hintereinander liegenden Walzen immer in einem neuen Walzgang neu und feiner gewalzt und zack! Unreine Kanten abgeschnitten, unter Wasser weiter gewalzt, weiter bis irgendwo ins Nirwana, wo die mittlerweile langgewalzte Bramme als feinstes Spezialblech aufgerollt wird. Jede Rolle ist markiert und lässt sich so auf ihren Ursprung zurückverfolgen. Wie unser Tourguide uns berichtete, werden z.B. alle deutschen Autohersteller schon mit fertig geformten und gestanzten Stahlblechen beliefert.
Fast 3 Stunden waren wir unterwegs und haben doch nur eine winzige Ahnung von dem bekommen, was hier für Prozesse zusammenlaufen. Wieder im Besucherzentrum angekommen, mussten die Helme dieses Mal links ins Regal gelegt werden – zur Reinigung, wie man uns erklärte. Es war eine atemberaubende, tolle Führung – und wirklich etwas ganz Besonderes.
Beim anschließenden Essen im Ruhrorter „Schiffchen“ gab es noch eine angeregte „Nachbesprechung“ und wir waren uns ganz sicher, dass einige zuhause gelassenen Ehemänner, Geliebte oder Lebenspartner zuhause garantiert ganz schön neidisch waren.
Bericht: Gabriele Coché-Schüer