Wenn Karsta Dietert den Raum betritt, fallen sie sofort auf: schwindelerregend hohe Stöckelschuhe, gerne auch schon mal in knallrot. Beruf: Rechtsanwältin und in diesem Jahr kann sie auf eine 20jährige erfolgreiche Berufstätigkeit zurückblicken.
20 Jahre? Das wäre 1998? Da war sie ja gerade mal 28 Jahre alt. „Ja, ich bin einfach drangeblieben“, sagt sie. „Mein Abitur habe ich 1989 in Halle an der Saale gemacht. Das Schulsystem war zu DDR-Zeiten ein anderes, als man es hier kennt. Das klassische Gymnasium gab es hier nicht. Die weiterführende Schule war dort eine Polytechnische Oberschule, die bis zur 10. Klasse ging. Danach wechselte man bis zum Abitur auf die „EOS“, die sogenannte Erweiterte Polytechnische Oberschule. Ende der Achtziger wurde in meiner Jahrgangsstufe – natürlich hinter vorgehaltener Hand- schon viel über die aktuelle politische Situation und was sich in nächster Zukunft noch für uns daraus entwickeln könnte, diskutiert. Ich wusste schon ziemlich früh, dass ich Jura studieren wollte. Aber als ich mich dann um einen Studienplatz beworben habe, hat man mir mitgeteilt, dass der Bildungsplan der DDR mich aktuell nicht für ein Jurastudium eingeplant hatte. Als Alternative wurde mir ein VWL-Studium angeboten. Dazu hatte ich nun aber nicht wirklich viel Lust.“
„Ich wusste schon ziemlich früh, dass ich Jura studieren wollte.“
Die Alternative für Karsta Dietert war dann erst einmal eine Ausbildung zur Industriekauffrau. „Du hast ein gutes Abitur, das schaffst Du auch locker in einem Jahr“, sagte man ihr. Die Ausbildung hat sie bei dem VEB Chemische Werke Buna Schkopau gemacht, ein Nachfolgeunternehmen des ehemaligen Chemieriesen IG Farben. „Bei der BUNA wurde hauptsächlich Kautschuk verarbeitet. Ich war dort im Außenhandel und fand dieses Jahr total spannend. Ich glaube, diese Ausbildung hat den Ausschlag dafür gegeben, dass ich auch später immer wieder in Richtung Wirtschaft geguckt habe.“
… diese Ausbildung hat den Ausschlag dafür gegeben,
dass ich auch später immer wieder in Richtung Wirtschaft geguckt habe.“
In den ersten Jahren nach Mauerfall und Wiedervereinigung war auch in den Hochschulen der ehemaligen DDR nichts mehr so wie zuvor. „Ich habe dann mit einem BWL-Studium in Halle begonnen- im Kopf aber immer, dass mein eigentliches Ziel Jura war. Das wollte ich jedoch zu der Zeit nicht in Halle studieren. Zu viel war da im Umbruch, zu viele Unsicherheiten.“
1991 zog Karsta Dietert also gen Westen. Sie entschied sich für Bielefeld und erlebte bei ihren ersten „West“-Besuchen einen regelrechten Kulturschock. „Es war ja für mich so etwas wie Ausland. Das für mich völlig überwältigende Angebot in den Geschäften, das andere Leben, das ganz andere Essen. Unfassbar für mich, dass sogar das Eigelb vom Frühstücksei eine andere Farbe hatte als bei uns Zuhause. Alles war so anders, alles war auch von allem einfach zu viel.“
Wenn schon anders, dann richtig, dachte sich Karsta D., und zog in eine WG mit zwei Kommilitonen ein. „Ich habe mich gut eingelebt, habe mir schnell mein eigenes Netzwerk geschaffen und dann ist mir auf einem Sommerfest („cherchez l’homme“) dieser Niederländer über den Weg gelaufen.“
„Für meine letzte Station, nach dem 1. und vor Abschluss des 2. Staatsexamen, habe ich mich –Holland im Blick praktischerweise- in Kleve umgesehen und konnte die Station dann in einer Klever Kanzlei absolvieren. Im Leben gibt es ja schon kuriose Zufälle. Zu der gleichen Zeit arbeitete dort mein Mann – ohne dass wir uns damals schon irgendwie näher gekommen sind.“
1998 wurde Karsta Dietert als Rechtanwältin zugelassen und hat bis 2001 in der Kanzlei Strick ihre ersten Sporen verdient. Die Kanzlei Strick ist seit langem auf die Rechts- und Unternehmensberatung im deutsch-niederländischen Grenzland spezialisiert. Es folgte eine Fachausbildung für Steuerrecht. „Insgesamt habe ich 8 Jahre in Wijchen/ Niederlande gelebt und in Kleve gearbeitet. Meine holländischen Sprachkenntnisse, der starke Fokus auf die Beratung von niederländischen Unternehmen: Die Arbeitsschwerpunkte entwickelten sich so quasi automatisch.“
…ich denke, ich bin jemand, der schnell gute Chancen und Möglichkeiten
erkennt und dann zugreift.“
Fragt man Karsta Dietert, ob sie damals bereits einen klaren Karriereplan verfolgt hat, dann schmunzelt sie: „Nein, wenn ich jetzt so zurückblicke, eigentlich nicht. Aber ich denke, ich bin jemand, der schnell gute Chancen und Möglichkeiten erkennt und dann zugreift.“
2001 ist Karsta D. dann zur Kanzlei ZPP gewechselt, als Partnerin von zwei Anwälten. Die Arbeit ist deshalb so interessant für sie, weil die Kanzlei deutsche und niederländische Unternehmen, die den Schritt über die Grenze wagen, berät und dabei eng mit der KPP Steuerberatungsgesellschaft mbH kooperiert. „Ich erkläre also sozusagen niederländischen Unternehmen das deutsche Recht in Niederländisch.“
„Ich erkläre also sozusagen niederländischen Unternehmen
das deutsche Recht in Niederländisch.“
Für solche Gespräche ist sie an einem Tag pro Woche in ihrem Büro am Flughafen Weeze.
Der Flughafen Weeze hat überhaupt eine besondere Bedeutung für Karsta D. Nicht nur, dass sie von Anfang an beim Aufbau des Flughafens dabei war, sondern auch, weil sie dort sehr erfolgreich ein Projekt begleitet hat, das ehemalige Bergleute nach der Zechenschließung zu Feuerwehr- und Sicherheitsleuten umgeschult hat …und im Anschluss daran auch eine Übernahme durch den Flughafen möglich war. In dieses Projekt habe ich Herzblut gesteckt und hier habe ich wirklich viel Überzeugungsarbeit geleistet. Bergleute sind sehr stolz auf ihren Beruf und mussten erst überzeugt werden, dass sich dieser Neustart für sie auszahlt. Diese Maßnahme war für die Region ein echtes Leuchtturmprojekt. Und deshalb freue ich mich heute noch, wenn ich einen dieser Männer auf dem Flughafengelände treffe und sie mich freundlich begrüßen.“
Netzwerke organisieren, Netzwerke pflegen und dort eine aktive Rolle zu spielen, ist eine Selbstverständlichkeit für Karsta Dietert. Sie ist nicht nur Gründungsmitglied des unternehmerinnen forum niederrhein, sondern hat auch die Gründung und Entwicklung des Kevelaerer Rotary Clubs mit vorangetrieben. Hier ist sie im Vorstand des Rotarischen Hilfsfonds im Bereich Sozialprojekte aktiv: „Wir fördern z.B. seit Jahren erfolgreich mit der ‚Rotary Classic Rallye‘ u.a. den Verein ‚IMOLE Lichtstärke‘, der eine Augenklinik in Nigeria unterstützt“, erzählt K. Dietert. Ein wichtiges professionelles Netzwerk ist für sie der deutsch-niederländische Business Club Maas-Rhein. Dort ist sie seit ca. 15 Jahren aktiv.
„Ich bin da seit langer Zeit Schatzmeisterin und engagiere mich deshalb hier gerne, weil wir als Deutsche dort mit wichtigen Partnerinnen und Partnern aus den Niederlanden einen sehr konstruktiven Austausch haben. Die Kamer van Koophandel ist als Gründer dabei, deutsche und niederländische Unternehmen, einfach viel Expertise. Das finde ich spannend. Ich möchte, dass das enorme KnowHow auf beiden Seiten sicht- und nutzbar wird. Wir besuchen regelmäßig Unternehmen, es gibt spannende Vorträge -es ist einfach in vielerlei Hinsicht lohnend.“
Bei so viel beruflicher Netzwerkerei bleibt trotzdem seit fast 15 Jahren noch Zeit für die Vorstandsarbeit im unternehmerinnen forum niederrhein. „Ich fand die Idee echt innovativ, ein professionelles Frauennetzwerk am Niederrhein zu etablieren. Unternehmerinnen, weibliche Führungskräfte, Freiberuflerinnen, die hatten hier kein eigenes Netzwerk. Und es hat viel Potenzial- nach wie vor. Nur finde ich, dass wir noch viel sichtbarer und aktiver werden können. Ein Netzwerk genügt sich irgendwann nicht mehr selbst. Wir könnten uns z.B. noch ganz anders und überregional vernetzen, von mir aus auch mit einem großen gemischten Netzwerk, neue Ideen entwickeln, mal größer denken. Vor allem denke ich, dass wir gut für Nachwuchs sorgen und es schaffen sollten, junge Frauen ins forum verbindlich einzubinden.“
„Ich fand die Idee echt innovativ, ein professionelles Frauennetzwerk am Niederrhein zu etablieren.
Unternehmerinnen, weibliche Führungskräfte, Freiberuflerinnen, die hatten hier kein eigenes Netzwerk.“
Apropos Frauenförderung. Wie hält sie es damit in ihrem Umfeld? „Grundsätzlich legen wir sehr viel Wert auf Weiterbildung, ohne Ansehen des Geschlechtes. Aber es ist schon so, wenn ich sehe, dass eine junge Frau engagiert, aktiv ist, mitdenkt und vorwärtskommen will, dann fördere ich sie unbedingt. Anwältinnen, Richterinnen, Staatsanwältinnen -die jungen Frauen sind stark im Kommen.
Ich hatte zum Glück Eltern, die mir immer gesagt haben, „mach das, wenn Du das willst“, in der damaligen DDR waren Mädchen und Jungen gleichberechtigt, was ihre Berufswahl und spätere Karriere anging – vorausgesetzt, die Leistung stimmte. Diese Haltung gilt für mich auch heute noch. Für mich war z.B. auch immer klar, dass ich Familie und Beruf haben wollte. Dass es am Ende nicht so gekommen ist, ist ja eine andere Sache.“
Ich hatte zum Glück Eltern, die mir immer gesagt haben,
„mach das, wenn Du das willst“
20 Jahre erfolgreich als Rechtsanwältin. Wie plant frau da ihre weitere Zukunft? „Oh, da passiert z.Zt. so einiges. Ich habe 2016 gemeinsam mit Kollegen das (nicht-profitorientierte) EU-Projekt „Euregio-Law“ gestartet, das deutsche und niederländische Rechtsanwälte vernetzt. Ich selbst mache gerade eine Fachanwaltsausbildung in Sachen Erbrecht und will mich dort ein stückweit auf EU-Recht spezialisieren. Als EU-Advocaat bin ich bereits in den Niederlanden zugelassen. Und ein Riesenthema ist für mich natürlich alles, was sich in der digitalen Welt z.B. bei Law-Tech Produkten tut“.
Gibt es da überhaupt ein Leben neben der Arbeit?
„Unbedingt. Ich habe in diesem Sommer den Mann meines Lebens geheiratet. Wir teilen viele Vorlieben: Wir lieben Kino und fahren regelmäßig nach Holland, um dort Filme in der Originalsprache zu sehen, wir lesen beide viel, gehen gerne mit Freunden aus, mögen leckeres Essen, sind beide Klassik-Fans, sind unterwegs. Ich mache seit Jahren regelmäßig Yoga, weil das für mich der ideale Ausgleich zum täglichen Arbeits- und Terminwahnsinn ist. Ja, es läuft alles gut – so könnte es bleiben. Aber das Leben ist immer Veränderung!“