oder wie in einer Welt für Männer gute Ideen ignoriert werden….

nein, keine Angst, das hier wird nicht Buchbesprechung eines feministischen Druckwerkes.  Wenn am Ende der (übrigens prima zu lesenden) Lektüre jedoch noch einmal  intensiv darüber nachgedacht wird, wie sehr die Welt der Erfindungen, Technik, Innovationen immer noch männlich geprägt ist, dann ist schon viel erreicht.

Katrine Marcal* geht in ihrem Buch davon aus, dass das Potenzial der Hälfte der Menschheit über Jahrtausende nicht oder nur sehr wenig genutzt und weiter entwickelt wurde und dass das bis heute so ist, weil Männer immer vorgegeben haben, was entwicklungswürdige Technik und Produkte sind. Ganze Geschichtsepochen zeugen von der Metallgewinnung und -verarbeitung, es hat aber auch in diesen Zeiten z.B. immer ausgefeiltere Woll-, -Stoff und Textilentwicklungen gegeben- nur waren sie keiner breiteren Erwähnung wert.  Aus der neueren Zeit führt die Autorin an, dass es ohne das Wissen von gewieften Textilexpertinnen niemals den Raumanzug von Neil Armstrong gegeben hätte mit dem er auf dem Mond spazierenging.

Frauen waren schon immer dabei, wenn es um Erfindungen und Erleichterungen im täglichen Leben ging,
sie kamen nur nicht zu Wort und schon gar nicht in die Geschichtsbücher

Es geht der schwedischen Autorin nie darum, Können, Ruhm und Wissen von Männern und Frauen gegeneinander auszuspielen, sondern sie will zeigen, wie oft die „weicheren“, aber nicht minder wichtigen Erfindungen und Entwicklungen immer wieder durch die Dominanz von männlichem Handeln und Denken in den Hintergrund geschoben wurden. „Es geht ihr vor allem um all die Zuschreibungen und Attribute, die gemeinhin mit Männlichkeit oder Weiblichkeit assoziiert werden. Diese Zuschreibungen blieben über lange Zeiträume stabil.“** Unterhaltsame Anekdoten liefert sie auch gleich mit: Warum z.B. kam man erst 5000 Jahre nach Erfindung eines Reisegepäcks darauf, „unter einen Koffer Rollen zu schreiben? (Antwort: eine Erfindung, die erst in Zeiten vermehrt alleinreisender Frauen ihren Durchbruch erlebte).

Sie greift auf historische Beispiele zurück, um dann zu den drängenden Problemen der heutigen Zeit zu kommen: Der Klimawandel als Folge eines zu „männlich“ geprägten Umgangs mit der Welt (Männer haben die Natur immer zur Ressourcennutzung betrachtet, nur wenige haben sich bisher als verantworlich für diese eine endliche Welt verstanden). Fehlende Chancengleichheit für Männer und Frauen. (90% aller Innovations- und Risikogelder gehen an Männer-  wie können sich hier Frauen überhaupt stärker etablieren?). Die Veränderung unserer Arbeitswelt in der Zukunft durch Automatisierung: Welche Jobs werden verschwinden?
„Katrine Marçal deckt auf, wie sie die Entwicklung unserer Gesellschaft als Ganzes mitbestimmen, indem sie beeinflussen, welche Innovationen sich durchsetzen und welche nicht. Dass wir dabei Chancen verspielen, zeigt sie an der Entwicklung der Elektromobilität. Elektroautos scheiterten vor hundert Jahren nicht nur an zu geringer Reichweite, sondern auch, weil sie zu einseitig als weibliches Gefährt vermarktet und wahrgenommen wurden.
„Die Mutter der Erfindung“ ist ein charmant geschriebener und breit recherchierter Aufruf zum Umdenken. Ein Appell, die historisch vernachlässigte Seite „weiblicher“ Attribute stärker wertzuschätzen und einzubeziehen – zum Wohle aller.“**

*Katrine Marçal, 1983 in Schweden geboren, lebt als Journalistin und Bestsellerautorin in der Nähe von London. Ihr Buch ‚Who Cooked Adam Smith’s Dinner?‘ (2012) wurde in zwanzig Sprachen übersetzt. 2015 wurde Katrine Marçal von der BBC in die Liste der ‚100 Women‘ aufgenommen.
Gabriele Coché-Schüer

*Quelle: Bücher, www.deutschlandfunkkultur.de

Die Mutter der Erfindung
Marcal, Katrine
Rowohlt Verlag
ISBN 9783737101424
304 Seiten
€ 22,00