Zufall oder nicht –

einen passenderen Ort, um das Thema KI als das Zukunftsthema in einem beeindruckenden Industriedenkmal des 19. Jahrhunderts zu besprechen, hätten wir nicht planen können. Kaum ein anderer Ort versinnbildlicht den stetigen Wandel in Wirtschaft, Technik und Gesellschaft so eindrücklich wie das damalige Muster-Bergwerk Schacht 5/9 in Moers. Nachdem 1990 das Bergwerk geschlossen wurde, entstand hier auf dem weitläufigen Gelände der Technologiepark Eurotec. Betritt man das ehemalige zentrale Zechengebäude – zu Gründerzeiten ein hochmoderner Werkstatt- und Kauenkomplex – fühlt man sich förmlich hineingezogen in das Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne. Heute befindet sich hier das Eurotec looop, ein auf die Zukunft ausgerichteter work space mit einer Vielzahl von attraktiven, technisch top ausgestatteten Büroeinheiten und Veranstaltungsräumen, die je nach Bedarf und Dauer flexibel angemietet werden können.

 

Susanne Kunath „chief of happiness“

Hier in der hellen Eingangshalle gegrüßt uns strahlend unsere heutige Gastgeberin Susanne Kunath, Mit-Geschäftsführerin des looops. Sie lud die Gäste zu einem kurzen Rundgang durch das Gebäude mit seinen sehr individuell eingerichteten Arbeitsbereichen und Büros ein. „Ich bin sozusagen der „Chief of Happiness“ hier,“ erklärte Susanne Kunath, „zuständig für das Management des Quartiers hier, manage alles rund um Vermietung und Veranstaltungen und trage Sorge dafür, dass alle, die hier arbeiten und zu Gast sind, glücklich sind.“ Auf der (Show-)Treppe gab es im Anschluss an die Besichtigung eine kurze Vorstellungsrunde und es zeigte sich wieder einmal, wie vielfältig und spannend nicht nur unser fast 20jähriges Netzwerk ist, sondern auch die Gäste, die unsere Veranstaltungen besuchen. Zu unserer Freude haben sich dieses Mal einige Gäste mehr aus Moers, Neukirchen-Vluyn und Wesel auf den Weg gemacht, um das unternehmerinnen forum kennenzulernen und – vielleicht demnächst gerne wiederzukommen.

„Liebe Robots, Cobots und Soft Bots, ihr werdet Augen machen!“
Frank Schmidt

Künstliche Intelligenz – an diesem gewaltigen Thema bleibt das unternehmerinnen forum niederrhein weiter dran. Wie schon im Juni beim Klever Thementag KI hatten wir kompetente Kooperationspartnerinnen an unserer Seite: Beate Träm, Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderungsgesellschaft WIR 4 und ihre Kollegin Katharina Wentzel. Als Gast mit von der Partie war Ulrike Reichelt, die Wirtschaftsförderin von Neukirchen-Vluyn. Konzentrierte Wirtschaftskompetenz im eurotec!

v.l. U. Reichelt, B.Träm,K. Wentzel, F. Schmidt, S. Kuhnert, B. Baratie

Künstliche Intelligenz wird für uns alle mit jedem Tag erlebbarer, greifbarer, unvermeidbarer. Wir nutzen heute schon – oft unbewusst – immer selbstverständlicher diese neue Technologie in Form von ChatBots oder von ChatGPT generierten Texten. Die digitale Revolution hat längst begonnen und lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Die tatsächlichen Wirkungen sind gewaltig und überhaupt noch nicht abzuschätzen. Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft müssen lernen, dass diese neuen Technologien zukünftig nicht nur zahlreiche Aufgaben in der Arbeitswelt übernehmen, optimieren und automatisieren werden, sondern dass damit immer mehr menschliches Wissen und KnowHow automatisiert und damit ständig abrufbar wird. Fachleute sagen voraus, dass Millionen und Abermillionen von Arbeitsplätzen wegfallen werden und nicht nur die von gering Qualifizierten. Neue Jobs und Arbeitsbereiche werden entstehen, aber welche? Data Scientists oder Machine Learning Specialists sind eine Sache, aber wird vielleicht sogar „Prompt Engineer“ ein echter Beruf? Wie geht man mit solchen Prognosen und veränderten Arbeitswelten um? Was müssen Unternehmerinnen und Unternehmer, Teamleitungen, Personalverantwortliche, aber auch die Mitarbeitenden lernen, um solchen Entwicklungen erfolgreich zu begegnen?

Eines wissen wir schon jetzt: Der Blick allein auf technische Konzepte reicht nicht. Wir müssen unbedingt die Menschen in diesem Transformationsprozess in den Fokus nehmen.

Unser Gastredner Frank Schmidt,  Technologie- und Change-Experte, Unternehmensberater mit langjähriger Erfahrung in der IT-Fachwelt (und exzellenter Erklärer) hat das für uns an diesem Abend eindrucksvoll getan. „Frank Schmidt ermutigt Führungskräfte sowie Mitarbeiter:innen leidenschaftlich dazu, aktive Gestalter des Wandels zu sein und mit Zukunftsfreude Lust auf gemeinsame Veränderungen zu entwickeln“, stellte ihn Barbara Baratie, Geschäftsführerin des unternehmerinnen forum, vor. „Er hat über viele Jahre erfolgreich in Unternehmen umfangreiche Change-Prozesse moderiert und verfügt über sehr viel Insiderwissen, wie man die ‚digitale Transformation human meistert‘, wie er es selbst ausdrückt. Seine Botschaft an uns ist: Keine Angst vor der Digitalisierung! Erkennt die Risiken, seht aber die Chancen. Stellt die Menschen in den Mittelpunkt und seid kreativ. Denn geht es um Emotionalität und Kreativität, ist der Mensch der KI weit überlegen! Aber dafür müsst Ihr aus der Komfortzone!“

„Für die Zukunft braucht es eine lernende Unternehmenskultur, in der Transparenz bei der Umsetzung der digitalen Ziele und respektvolle Einbindung und Mitnahme von Führungs- und Fachkräften gelebt wird“, so Schmidt, „wir wissen längst, dass es nicht reicht, nur auf die technische Seite der neuen Technologien zu schauen. Wir müssen unbedingt die Menschen in diesem Transformationsprozess in den Fokus nehmen. Und da müssen wir uns von einigen (typisch deutschen) Glaubenssätzen verabschieden. Zum Beispiel von der Idee, dass eine immer weiter gehende Spezialisierung der Schlüssel für die Zukunft ist. Unser erstes Interesse muss es zukünftig sein, die Aufgaben in der Arbeitswelt neu zu verteilen und das zu unseren Bedingungen. KI wird hier zukünftig viele spezielle Aufgaben übernehmen können, weil neue KI-Systeme durch massenhafte Datensammlungen über ein unschlagbares Spezialwissen verfügen werden. Geht es aber um komplexe und übergreifende Fragestellungen, braucht es kreative Menschen, die aus der verfügbaren Datenlage kluge und nachhaltige Lösungen entwickeln.“

„Geht es aber um komplexe und übergreifende Fragestellungen, braucht es kreative Menschen,
die aus der verfügbaren Datenlage kluge und nachhaltige Lösungen entwickeln.“


Für Frank Schmidt rückt daher immer deutlicher eine Spezies Expertinnen und Experten in den Vordergrund, der solche Denkprozesse out of the box nicht fremd sind: Generalist:innen oder besser gesagt „Neo“-generalist:innen. Es sind die, die nicht ein einziges Fachgebiet perfekt beherrschen, sondern diejenigen, die als kreative Problemlöser:innen mit einer guten Portion „Bauchgefühl“ und Lebenserfahrung ausgestattet sind, nach allen Seiten kommunizieren und sich nicht scheuen, bestehende Strukturen in Frage zu stellen. Diese Menschen zu finden, mit den richtigen Partnern und Partnerinnen zu vernetzen, ihnen Raum und Vertrauen zu geben, wird zukünftig eine herausfordernde Aufgabe für die Unternehmen sein.“

„Keine Angst vor künstlicher Intelligenz“ gibt uns Frank Schmidt noch mit auf den Weg, „KI ersetzt nicht menschliche Intelligenz, Erfahrungen und Intuition. Seid Schöpferinnen – nicht digitale Opfer! Letztendlich geht es doch darum, eine Allianz aus digitaler und menschlicher Kompetenz zu schaffen.“

„Seid Schöpferinnen – nicht digitale Opfer!“

Im Publikum saßen vermutlich doch einige Frauen, die sich aktuell in einem Status des „noch Analogen und schon im Digitalen“ befinden. Steuer- und Anwaltskanzleien, so war im Anschluss zu hören, arbeiten zunehmend mit KI-basierten Tools. Ein Kevelaerer Autohaus nutzt seit kurzem Chatbots in der Auftragsabwicklung. Stefanie Feld, Head of RAQN Data Compliance bei Henkel und ufn-Vorstandsfrau beschäftigt sich tagtäglich mit dem Thema KI und Datensicherheit. Die Bereitschaft, sich mit der neuen Technologie zu beschäftigen ist offensichtlich da, das Wissen über eigene Möglichkeiten und Chancen oft noch diffus. Jessica Saum, die in Wesel die IT-Agentur CommuniBIT führt, brachte es auf den Punkt: „Viele wollen etwas tun, wissen aber gar nicht, was sie brauchen, hier muss man erst einmal sehr viel sprechen.“

Gesprächsstoff gab es nach diesem Vortrag genug. Frank Schmidt war an dem Abend gefragter Gesprächspartner in den Runden. An den Tischen wurde jedoch nicht nur debattiert, sondern auch gut gegessen und getrunken. Unter anderem gab es (quasi als Reminiszenz zum historischen Ort) eine deftige Bergmannsstulle, zünftig in Butterbrotpapier gepackt und „echt so lecker“.

Bleibt hinzuzufügen, dass jetzt schon kräftig an der nächsten Veranstaltung im November gearbeitet wird. Und die beiden Hauptakteurinnen aus Duisburg konnten wir im Eurotec schon kennenlernen: Die Schwestern Tessa Cramer-Biermann und Sissi Figura. Sie wollen das erste Autohaus führen, das sich ausdrücklich auf weibliche Kundschaft richtet. Da sind wir dabei – ohne Frage!

Text Gabriele Coché-Schüer
Fotos Sivani Boxal

Interessante weiterführende Artikel und Videos:
Human Resources Manager, humanresourcesmanager.de, 12.10.2023: Künstliche und menschliche Intelligenz sinnvoll verbinden