Am spannendsten sind ja immer noch die ein bisschen geheimnisumwitterten Geschichten, die sich die Menschen immer weitererzählen- und dann irgendwann in Büchern zu noch aufregenderen Geschichten gesponnen werden.
Wer weiß das besser als Sabine Friemond, die als Buchhändlerin Tag für Tag Berge von neuen Büchern mit aufregenden Titeln, Buchdeckeln und Inhalten auf ihre Ladentische bekommt. Wer viel liest, weiß um den schier hoffnungslosen Versuch, in einem Leben alle Bücher zu lesen, die man vorhat zu lesen.
Wie fühlt sich jemand, der diese Bücherfülle Tag für Tag um sich hat? Der die Qual der (Aus-)Wahl hat? Augenscheinlich bestens, wenn diejenige dann auch noch den Entschluss fasst, selbst zur Feder zu greifen – um selbst Bücher zu schreiben.
Buchhändlerin zu werden, war für Sabine Friemond nicht unbedingt vorhersehbar, „Ich habe mein Abitur in Voerde gemacht, geburtenstarker Jahrgang, viele Bewerbungen auf eine Ausbildungsstelle in ganz unterschiedlichen Bereichen und erst im allerletzten Moment ein Ausbildungsplatz zur Buchhändlerin in der Buchhandlung Dambeck in Wesel. Aber doch… im Nachhinein betrachtet hat das Schicksal alles gut für mich vorbereitet.“ erzählt Sabine Friemond.
Nach beruflichen Stationen in München, Nürnberg und Mosbach am Neckar -mittlerweile Mutter zweier Kindes, 1999 Rückkehr an den Niederrhein. Nach Kind 3 erst einmal Erziehungszeit und ein Teilzeitjob in einer Dinslakener Buchhandlung. „Dann kam die Chance zur Selbstständigkeit, eine kleine Buchhandlung in Voerde-Spellen. Mit der wurde ich zwar nicht reich, aber ich war selbstständig, unabhängig und kam über die Runden. Mit der Unterstützung der Familie klappte das auch mit 3 kleinen Kindern. Nur mit meiner Ehe nicht.“ Scheidung und Neustart.
Seit 2013 kennt man Sabine Friemond in Voerde als Inhaberin der Buchhandlung „Lesezeit“, die, als sie die übernommen hat, bereits 30 Jahre „am Platz“ war. Hier war eigentlich schon alle Hände voll zu tun, und dann eine grobe Fehlentscheidung: „Ich habe noch eine zweite Buchhandlung in Dinslaken übernommen und eine dicke Bauchlandung hingelegt, aus der ich mich nur mit viel Glück und dank der Unterstützung einer sehr fitten (und rigorosen) Buchhalterin herausarbeiten konnte. Aber ich habe es geschafft. Hier in Voerde habe ich vor einigen Jahren als 2. Standbein eine Postpartnerfiliale übernommen, die ich aber jetzt Ende Juni aufgeben werde, um im Oktober meinen Traum vom kleinen Café im Buchladen zu verwirklichen.“
Und wie kommt man in so einem rush of everyday life dazu, auch noch zu schreiben? „Ich glaube, das war immer schon in mir,“ sagt Sabine Friemond nach kurzem Überlegen, „Geschichten ausgedacht habe mir schon immer, nur nie wirklich zu Papier gebracht. Ich bin zum zweiten Mal verheiratet und mein Mann hat mich ermutigt, mit dem Schreiben anzufangen. Und es war wie eine Initialzündung, als 2019 mein erster Niederrhein-Krimi „Hochbahn“ erschien. In diesem Buch wird die Pfarrerin Christin Erlenbeck zur Entdeckerin eines lange zurückliegenden Mordes. Das war der Anfang zu 4 weiteren Krimis, in der die Pfarrerin (natürlich gibt es auch eine offizielle Polizeiarbeit) die Hintergründe von perfiden Verbrechen aufdeckt.“
Und warum eine Pfarrerin? „Weil eine Pfarrerin eine handfeste, praktische und reale Person ist“, erklärt Sabine Friemond. Zudem eine Person, der Dinge anvertraut werden können, die gebildet und vielseitig interessiert ist und natürlich (weil evangelische Pfarrerin) passt immer noch eine Liebesgeschichte dazu. Ich habe das Manuskript verschiedenen Verlagen zugeschickt und natürlich auch Absagen bekommen. Der KBV-Verlag nahm es dann an. Das Thema Niederrhein passte wohl noch gut in ihr Portfolio. Sie stellen auch das Lektorat. Und sie kümmern sich um die Vermarktung der Bücher. Bei Bedarf managen sie auch Wünsche für Autor:innenlesungen.“
Es gibt mittlerweile so gut wie für jede Region eine entsprechende Krimi-Serie. Wie findet man als Autorin das gewisse Extra, das die Gegend, die Region, in die man den Plot setzt, von den Ostfriesen-, -Aachener oder Eifelkrimis abhebt?
„Ich bin Niederrheinerin durch und durch, hier kenne ich mich gut aus- ich bin hier gerne unterwegs und spreche mit vielen Menschen. Es ist mir schon häufig passiert, dass ich bei meinen Spaziergängen in der Umgebung an Orte komme, die mich sofort gefangen nehmen und gleich arbeitet es in mir: Was kann hier nicht alles passiert sein? Manchmal treffe ich an diesen Plätzen Leute, von denen ich denke, die müssten sich auskennen hier. Mit denen komme ich ins Gespräch. Menschen erzählen gerne, geben gerne ihr Wissen über Geschichte, Gerüchte und Skandale weiter. „Ja, erzählen Sie doch mal…“, sage ich dann immer. Insofern schreibe ich ein Stück weit auch für die Menschen hier. Das ist auch das Feedback, das ich bekomme: es ist einfach doppelt spannend, wenn man beim Lesen das Geschehen aus eigenem Wissen genau verorten kann. Aber natürlich freut es mich schon sehr, wenn meine Bücher nicht nur hier am Niederrhein ihre Leserschaft finden.“
Krimis schreiben muss man können! Berühmte Autor:innen behaupten ja gerne, dass die Idee zum Buch früh da ist, sich die handelnden Figuren aber oft erst während des Schreibens entwickeln. Bei Sabine Friemond ist es ähnlich: „Ein Krimi muss durchkomponiert sein- durchaus auch im klein-klein. Der Weg, der rote Faden muss im Vorhinein klar sein. Ganz am Anfang war ich schon zu Beginn des Schreibprozesses viel zu pedantisch. Da bin ich heute doch wesentlich entspannter. Ich arbeite mit Mindmapping und Diagrammen. Hauptstrecke-Nebenstrecken, Datenregister. Damit halte ich die Fäden zusammen. Manchmal muss ich während des Schreibens leider auch mal die eine oder andere geplante Figur opfern, weil sie einfach nicht mehr passt. Übrigens ist ganz wichtig, dass man die gängigen Fachtermini beherrscht, die Krimileserschaft verfügt ja über viel Expertise! Gut…dass die Spusi die DNA sicherstellt und wie die KTU arbeitet, sieht man ja jeden Tag im Fernsehen, aber wie genau sieht eine Leiche nach 3 Tagen Sahara und anschliessendem Wasserbad aus?“
Bei der Recherche ist hier natürlich das Internet unentbehrlich. Da gibt es z.B. bei Facebook „Kriminalistik leicht gemacht“, wo man als Krimiautor:in fündig wird. Mittlerweile hat Sabine einen sehr guten Kontakt zu einem wirklichen Experten. Den kann sie immer anrufen und sich rückversichern, wenn es aus kriminalistischer Sicht- Fragen und Unsicherheiten gibt.
Man stellt sich das so vor: die Autorin sitzt nächtens (natürlich nach einem langen Geschäftstag) am Schreibtisch, das aufgeklappte Ipad vor sich- das ganze Haus schläft, während sie sich Wort um Wort in eine Geschichte von kriminellen Machenschaften, menschlicher Tragik, Mord und Vertuschung förmlich hineinschreibt.
„Nein, so dramatisch ist das gar nicht“, lacht die Schriftstellerin, „ ich habe zwei freie Nachmittage, an denen ich schreibe, wenn ich mich nicht um Mutter und meine Enkelin kümmere, dann schreibe ich im Urlaub – ganz konsequent- morgens einige Stunden. So habe ich seit 2019 jedes Jahr ein Buch fertig geschrieben. Das 6. Buch ist in Arbeit. Und ich denke, es kommen so noch einige hinzu. Ideen im Kopf habe ich noch viele und Lust zum Schreiben sowieso. Schöne Mordaussichten!
Übrigens: hier stellt Sabine Friemond ihre Bücher kurz vor.
Interview Gabriele Coché-Schüer
Foto privat